Ausstellung im Ozean Berlin, Oktober 2011
OZEAN c/o Kunst in Kreuzberg e.V.. Schleiermacherstr.31-37, 10961 Berlin
Verwandtschaft
Auf Flohmärkten und Recyclinghöfen hat Martin Sommer
im Stich gelassenes Geschirr, Töpfe und Übertöpfe,
Kaffee- oder Teekannendeckel, Glasvasen und –schüsseln,
Einweck- und langstielige Trinkgläser, Zuckerdosen,
Puppen und Nippesfiguren gesampelt. Manche der
trivialen häuslichen Objekte aus Keramik oder Metall
sind mit Farbe neu angestrichen, bevor sie alle, balusterartig
aufeinandergesetzt, zum Gruppenauftritt arrangiert
wurden. Positionen upside-down wechseln mit
hasardiösen Vertauschungen der Gefäßgrößen, transparentes
Glas unterbricht optisch ein standhaftes Aufeinandertürmen
– alles trägt so zur Labilisierung von
solidem Gleichgewicht bei, und obendrein sieht es so
aus, als habe eine magisch-skeptische Eigenmächtigkeit
den Objekten diesen artistischen Auftritt erlaubt.
Und so geht es zu wie in dem legendären Kunststück,
rohe Eier aufzustellen. Man nimmt ein Ei zwischen die
Hände und hält es vorsichtig eine Weile senkrecht, bevor
man langsam die Hände zurückzieht und - Zauber
Zauber - das Ei von alleine steht. Stolze Magier dieses
Kunststücks übersehen dabei in der Regel, dass das
Staunen weniger ihnen gilt, sondern mehr dem Ei, was
sich über Tage oder Wochen nicht mehr aus der Fassung
bringen lässt.
Martin Sommer entwirft eine verschwörerische Poetik,
in welcher die Grenzen zwischen intentionalem Subjekt
und absichtsloser Dingwelt verschwimmen. Emptiness,
wie er den Ausnahmezustand des kreativen Akts nennt,
wird zum Decknamen dieser Poetik.
Ursula Panhans-Bühler